Sonntag, 21. Juli 2013

#AppArtAward 2013 – eine Veranstaltungskritik

Ich hatte mich wirklich gefreut auf den AppArtAward. Der Schokomuffin mit Schokocremefüllung, das twitterbereite Tablet und ich saßen am Freitagabend gespannt vor dem Livestream… Was ist schiefgegangen?

Screenshots der Gewinner-Apps

Die Veranstaltung – 152:58 Minuten 

AppArtAward-Verleihung im ZKM



Der Moderator Markus Brock vermittelte von Anfang an nicht den Eindruck, als könne er sich für Digitales besonders begeistern. Es hat sich viel Zeit genommen, Begriffe wie Hackathon und Augmented Reality zu erklären, woran ja erst einmal nichts auszusetzen ist. Allerdings tat er dies in auffallend trockener Weise – und darf man von einer AppArtAward-Verleihung nicht erwarten, dass es auch Interessantes für Menschen gibt, die sich schon etwas länger mit digitalen Medien beschäftigen? 2012 hat das funktioniert, 2013 nicht... 




Politiker in hellen Anzügen erzählen, dass sie in die Materie »Sound in Apps« noch nicht eingedrungen sind. Prof. Ramón Reichert bemüht sich um eine kunsthistorische Einordnung der App Art – spannend sind zum Beispiel die Parallelen zur Performance-Kunst der 60er und 70er Jahre – allerdings sind weder die Struktur des Vortrags noch die universitäre Vortragsart für dieses Veranstaltungsformat geeignet. 

Für die künstlerische Abwechslung war das DigiEnsemble zuständig. Die professionellen Musiker spielen auf Tablets statt auf klassischen Instrumenten, was keine bahnbrechende Innovation ist, aber durchaus sehr gut klingt. Allerdings hätte es nicht geschadet, noch einen zweiten Live Akt hinzuzunehmen, der vielleicht nicht ganz so klangzentriert ist. Denn auch der zweite Vortrag – gehalten von Matthias Krebs – drehte sich nur um Sound und zahlreiche Apps, die sich mehr oder weniger zur Musikproduktion eignen. Als Tipps-Sammlung auf YouTube hätte das perfekt funktioniert, aber im Rahmen dieser Veranstaltung wirkte die Vorstellung seiner persönlichen Kategorisierung von Apps aus der App Store-Kategorie »Musik« eher deplatziert, oder doch zumindest deutlich zu lang.

Zudem ist die Präsenz der Sponsoren leider etwas außer Kontrolle geraten. Ich habe die Zeit nicht gestoppt, aber es blieb der Eindruck, dass die Sponsoren deutlich mehr Zeit auf der Bühne verbrachten, als die Preisträger. 


Die Preisträger – Drei Kunst-Apps


Aus 23 Ländern sind über 100 Apps in den Kategorien »Künstlerischer Innovationspreis«, »Crowd Art« sowie »Augmented Reality Art« eingereicht worden.

Der Innovationspreis ging an die App »ZYX« vom niederländischen Künstlerduo JODI, welche Nutzer dazu auffordert, bestimmte Bewegungen mit dem Smartphone in der Hand auszuführen. Über die Sensoren registriert das Gerät, ob der Nutzer die «Performance« – wie von den Künstlern programmiert – ausführt. Anders als bei Game-Apps, bei denen gelegentliche Zuckungen und Verrenkungen eher Nebeneffekte darstellen, ist die Ausführung von Bewegungen in »ZYX« das alleinige Ziel. Man kann hineindeuten, dass der Nutzer in den Momenten, in denen er sich von den Künstlern bzw. dem Gerät fernsteuern lässt, selbst zum Kunstobjekt wird. Für die einen ist die App ein interessantes Gedankenspiel, für die anderen «Kunst, im Sinne von unverständlich« – störend ist auf jeden Fall, dass die App nicht immer registriert, wenn der Nutzer gerade wie befohlen über die Bühne oder durchs Wohnzimmer hopst.


Die drei japanischen Medienkünstler Kei Shiratori, Takeshi Mukai und Younghyo Bak gewannen in der Kategorie »Augmented Reality Art«. Ihre App »ARART« reagiert auf zweidimensionale Bilder, die über die Kamera identifiziert werden. Die digitale Kopie von Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring schlägt die Augen nieder und dreht sich vom Betrachter weg. Farbenfrohe Knospen auf Leinwänden blühen in der App von sanften Klängen begleitet auf. Der Hase aus einer weitverbreiteten Alice-im-Wunderland-Ausgabe hüpft aus seinen Bildrahmen… ARART ist eine Mischung aus Kunst und Kunstvermittlung, aus technischer Spielerei und ästhetischen Brüchen. Die jungen Künstler versuchen, die Technologie so offen zu gestalten, dass auch Andere Kunstwerke damit entwickeln oder digital erweitern können. Wenn Sie die App probieren wollen, planen Sie reichlich Zeit und Speicherkapazität für den InApp-Download ein.


ARART from ARART on Vimeo.

In der Kategorie »Crowd Art« wurde »Mobile Phone Orchestra« von Andrew Bluff ausgezeichnet. Die App sollte auf mindestens vier Smartphones im direkten Umkreis aktiv sein. Ein Countdown zählt die Sekunden, während per Zufall ein Lied aus den jeweiligen Musik-Libraries der einzelnen Smartphones ausgesucht wird. Diese Songs vereinen sich dann für einige Sekunden in einem öffentlichen Klangraum, während die Bildschirme in unterschiedlichen Farben flackern. Man könnte das als kollektive Lärmbelästigung bezeichnen – oder als Weiterführung der Idee einer vom Zufall bestimmten Kunst, die schon für die Surrealisten zentral war.


Mobile Phone Orchestra auf YouTube

Ich kann und möchte den künstlerischen Wert der einzelnen Apps an dieser Stelle nicht bewerten. Schade fand ich nur, dass die sehr kurzen Begründungen für die Jury-Auswahl sehr allgemein formuliert waren. Da sie von den Sponsoren vorgelesen wurden, war für das Publikum jede Möglichkeit zur Nachfrage von Anfang an blockiert. Außerdem bleibt die Frage, warum die Jury die einzige Auswahlinstanz ist – wenn man über Crowd Art redet, könnte man doch auch einmal die Crowd fragen, was sie davon hält. Natürlich wäre die Betreuung und Bewerbung einer mehrseitigen Auswahl – oder auch einen Publikumspreises – viel aufwendiger, als eine reine Juryauswahl. Andererseits könnte man damit noch mehr Aufmerksamkeit generieren.

Macht ein AppArtAward noch Sinn?


Die Frage ob Kunst und Apps zusammenpassen, hat sich mir nie ernsthaft gestellt. Ich bin der Auffassung, dass Kunstproduktion eine der natürlichen Voraussetzungen und Konsequenzen von gesellschaftlicher Entwicklung ist, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Kunst überall dort auftaucht, wo gesellschaftsrelevante Veränderungen passieren. Dazu gehört selbstverständlich auch die Entwicklung der von uns genutzten Technik, insbesondere, wenn diese so direkt und stark in unseren Alltag eingreift, wie Smartphones und Tablets. 

Allerdings wird digitale Kunst immer noch erstaunlich wenig wahrgenommen. So muss man nicht jedes Kunstwerk verstehen oder gar mögen, um eine größere Sichtbarkeit von App Art als wünschenswert zu empfinden. Gerade weil es sehr unwahrscheinlich ist, durch Zufall auf Kunst-Apps zu stoßen, empfinde ich den AppArtAward als wichtige Veranstaltung. Auch bin ich überzeugt, dass das ZKM – jene Institution, die immer wieder versucht, die Grenzen, die Bourdieu als «Feld der Kunstproduktion« definiert hat, zu überschreiten – eine ausgezeichnete Heimat für eine derartige Veranstaltung ist. 

Also werde ich mir auch im kommenden Jahr wieder den AppArtAward ansehen und hoffen, dass bei der Organisation und Durchführung noch einmal an verschiedenen Stellschrauben gedreht wird.


Wie habt Ihr den AppArtAward wahrgenommen? Habt Ihr überhaupt etwas davon mitbekommen?

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