Samstag, 23. Februar 2013

Vom Sinn und Unsinn ernster und weniger ernster Spiele in Museen

Seit einiger Zeit redet man in Museumskreisen gern und viel
über "Gamification" und "Serious Games". 

foursquare macht das
Besuchen von Orten
zum Wettbewerb
Mit "Gamification" bezeichnet man das Übertragen von Mechaniken aus Spielen – insbesondere das Sichtbarmachen von Vergleichbarkeit über Ranglisten, Erfahrungspunkten, etc. – in spielfremde Bereiche wie Fitnesstraining oder auch Museumsbesuche. Dies erhöht nachweislich die Motivation der Teilnehmenden und kann zum Beispiel zu höheren Lernerfolgen führen. 

"Serious Games" sind digitale Spiele, die neben der Unterhaltung auch andere Ziele verfolgen. Klassische Anliegen sind Vermittlung von Informationen und Zusammenhängen sowie das langfristige Erinnern derselben.  

Museen, die ihren Bildungsauftrag ernst nehmen und breitere Zielgruppen als Bildungsbürger und Schulklassen anvisieren, sind sich bewusst, dass sie als Freizeiteinrichtungen keinen allzu belehrenden und trockenen Ton anschlagen können. Deshalb ist die Beschäftigung mit spielerischen Herangehensweisen naheliegend, wenngleich nicht einfach.


HTW Berlin
Im Rahmen des Symposiums "Auf und Davon?! Zielgruppen außerhalb des Museums gewinnen" am 15.02.2013 in der HTW Berlin gab es einen Vortrag, der mich beschäftigt hat. Darin bezog Thomas Bremer, Professor für Game Design, Position zur Thematik Museum und Spiele.


Zwei Kernthesen des Vortrags waren:
  1. Serious Games machen keinen Sinn.
  2. Einige der von klassischen Spielefirmen mit hohen Millionenbeträgen erstellten Spiele können im Museumskontext eingesetzt werden.
Kern der hier vereinfacht dargestellten Argumentation von Prof. Bremer war, dass Serious Games nicht mit den aufwendig gestalteten Strategiespielen, Shootern, Open-World-Games etc. von den Nintendos und Blizzards dieser Welt mithalten können. Diese global vermarkteten Games werden von Hunderten von Mitarbeitern für zwei- bis dreistellige Millionenbeträge produziert. 

Anstatt zu versuchen, mit diesen Produkten zu konkurrieren, könnte man sie in die Vermittlungsarbeit einbinden. Viele Computerspiele nutzen unsere Geschichte und Kunstgeschichte als Inspirationsquellen. Man könnte Menschen, die mit solchen Spielen vertrauter sind als mit Museen, die Möglichkeit geben, zu entdecken, wie viele Informationen aber auch Fehlinformationen [bzw. Fantasie] in diesen Spielen steckt. Vorstellbar wäre zum Beispiel, das Jerusalem aus Assassin's Creed mit der historischen Stadt zu vergleichen. Welche Bauformen wurden verwendet? Wie waren die Menschen gekleidet?


Die Idee, kommerzielle Computerspiele in Ausstellungs- oder Vermittlungskonzepte einzubinden, klingt vielversprechend. Wie Tina Sievers vom Schlösserland Sachsen anmerkte, wird dies mit Filmen bereits gemacht. Die Ausstellung »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« auf Schloss Moritzburg ist die erfolgreichste Ausstellung im Schlösserverbund. 

Dies entspricht auch den Thesen von Andreas Grünewald Steiger, der in "Instrumente der Bildung – Wege zum Lernen im Museum" schreibt, dass "dem Besucher deutlich gemacht werden muss, was das Museum, das Thema der Ausstellung, was deren Inhalte und Präsentationen mit seiner Lebenswirklichkeit und mit seinen Fragen an die Realität zu tun haben. Ist dieser Impuls schon am Beginn des eigentlichen Museumsbesuches vorhanden, verstärkt er sich automatisch - so die Überlegung - und zieht den Besucher ganz unweigerlich hinein in die Faszination des entdeckenden Erfahrens und Verstehens von bisher unbekannten Dingen und Zusammenhängen."

Computerspiele sind Alltag für einen Großteil der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Also wäre es nur konsequent, beim Planen einer Ausstellung einmal darüber nachzudenken, ob es vielleicht Sinn machen könnte, ein populäres Spiel mit einzubeziehen.

Ich stimme diesen Thesen nicht nur zu, sondern würde sogar sagen, dass es auch für Nicht-Spieler bereichernd sein kann, im Museumskontext mal mit diesen Medien in Berührung zu geraten. Ebenso wie es das Technikverständis stärkt, einen iPod touch als Ausstellungsführer in der Hand gehabt zu haben, kann die Auseinandersetzung mit Computerspielen die Medienkompetenz stärken und vielleicht sogar einige Vorurteile abbauen. Technikunaffine und -uninteressierte Menschen könnten also zumindest in Ansätzen mit diesen unbekannten Welten vertraut gemacht werden, während museumsferne Zielgruppen so an die Welt "Museum" herangeführt werden.

Doch was ist mit Prof. Bremers Aussage zu Serious Games - verfehlen diese durch ihr niedriges Budget quasi von Anfang an ihr Ziel?

Ich denke nicht. Meiner Meinung nach haben Serious Games gleichermaßen ihre Daseinsberechtigung! Natürlich würde ich keinesfalls behaupten, dass sie mit Spielen wie Assassin's Creed konkurrieren können – aber das müssen sie auch nicht. 

Nur ein Bruchteil derer, die digitale Spiele spielen, beschäftigen sich mit "richtigen" Games wie World of Warcraft oder Call of Duty. Statistiken belegen immer wieder Fakten wie jene, dass Solitär mit Abstand das beliebteste Computerspiel ist, oder dass Apps wie "Wer wird Millionär Trainingslager" und "Cut the Rope" millionenfach heruntergeladen werden? Natürlich ist auch in diese ein gewisses Budget geflossen, doch Apps wie "Book of the Dead" vom British Museum beweisen, dass man mit technisch sehr einfachen Mitteln interessante kleine Spiele herstellen kann. 



Realistisch nachgebaute Welten und komplexe Gameplays sind hier eher hinderlich. Wichtiger sind schnelle Erfolgserlebnisse, leichte Zugänglichkeit, intuitive Eingabemethoden, ein ansprechendes Design, eine interessante Geschichte und natürlich, dass die App, das Browsergame, das Wii-Game oder auch das Brettspiel zum Museum bzw. Projekt passt.

Was wäre Euch lieber? Ein vom Museum entwickeltes Serious Game, ein in den Museumkontext sinnvoll eingebundes kommerzielles Spiel oder vielleicht beides?

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